Fotos: LTT/TobiasMetz
Zu Beginn des 10. Schuljahres haben sich die Klassen 10b und 10c im Deutschunterricht bei Frau Iskounen und Herrn Koch mit dem antiken Theater beschäftigt und jeweils ein Drama des griechischen Dichter Sophokles gelesen.
Nachdem die Klassen bereits im letzten Schuljahr begeistert Max Frischs Stück "Andorra" auf der Bühne in Stuttgart sehen konnten, sollte auch dieses Jahr das Erlebnis Theater nicht ausbleiben.
Das Landestheater Tübingen (LTT) hat in der aktuellen Spielzeit die "Antigone nach Sophokles" in der Bearbeitung von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1948 auf dem Programm.
Die ganz in schwarz gehaltene Bühne, eine Nachempfindung von Brechts Bühnenbild übrigens, sowie die einheitlich in weiße, aus Gaze-artigem Material gefertigten Kleidungsstücke gehüllten Schauspieler stellten spannungsgeladen die Situation des antiken Theben im Kriegszustand dar. Antigone verliert ihre beiden Brüder auf dem Schlachtfeld: Eteokles fällt im Kampf für Kreons Sache. Ihr jüngerer Bruder Polyneikes wird von seinem eigenen Bruder auf dem Schlachtfeld getötet.. Mit einem neuen Gesetz verfügt Kreon, der neue Herrscher, den Rebell Polyneikes unbeerdigt vor den Toren der Stadt verwesen zu lassen. Doch Antigone widersetzt sich Kreon, dem Gesetz der Götter verpflichtet, indem sie eigenmächtig die Bestattung übernimmt. Die angedrohte Todesstrafe fürchtet sie nicht; diese Welt zu verlassen, schreckt sie nicht, da für sie das göttliche Gesetz über dem des Staates steht. Der Konflikt zwischen Widerstand und Anpassung ist zentraler Gegenstand des Dramas – und wird auch in der Tübinger Inszenierung eindrucksvoll an Antigones Schwester Ismene gezeigt.
Brecht verschiebt in seiner 1948 uraufgeführten Version des Stücks "Antigone" die Situation allerdings, Antigone kämpft bei ihm in erster Linie gegen den andauernden Wahnsinn des Krieges und des permanenten Ausnahmezustandes, der zur Regel zu werden droht, denn der Krieg geht trotz Aussichtslosigkeit weiter. Der Mensch wird hier in seiner Größe und in seinen Abgründen dargestellt, ganz dem Beginn des ersten Chorliedes in Sophokles' Originalfassung entsprechend:
„Ungeheuer ist viel. Doch nichts Ungeheurer als der Mensch.“
Die moderne Inszenierung polarisierte bei den Zehntklässlern stark. So wurden im Anschluss an die Aufführung vor allem das nüchterne Bühnenbild als auch die fehlenden Requisiten kritisiert. Auch dass Antigone nicht so sehr im Vordergrund stand wie Kreon, bemerkten die Schüler. Die Darstellung Kreons als Machtmensch wurde ihnen allein durch seine Gestik und Körpergröße deutlich. Auch die chorischen Elemente der Inszenierung fanden Begeisterung bei den Schülern.
Mit reichlich Diskussionsstoff im Gepäck ging ein eindrucksvoller Theaterabend, der mit einem Besuch der Tübinger Altstadt am Nachmittag begonnen hatte, gelungen zu Ende.
Nicole Iskounen